Deutschland benötigt für seinen Arbeitsmarkt Fachkräfte aus dem Ausland. Aufgrund des starken Geburtenrückgangs bei den Deutschen reicht selbst die starke Zuwanderung in den den letzten 10 Jahren mit einem Zuwachs von über 5 Millionen Ausländern nicht aus, um den künftigen Bedarf der Wirtschaft zu decken. Die Bertelsmannstiftung hat mit einer Studie aus dem Jahr 2019 ausgerechnet, dass es einer jährlichen Zuwanderung von 260.000 Personen aus dem Ausland bedarf, um den Rückgang der Erwerbstätigen aufzufangen, wobei sich das auf 114.000 EU-Bürger und 146.000 Drittstaatsangehörige, also alle Nicht-EU-Bürger, aufteilt.

Da EU-Bürger völlig frei jede Berufstätigkeit aufnehmen können, hierzu in rechtlicher Hinsicht also auch gar keine Regelung nötig und möglich ist, war es für die Drittstaatsangehörigen also höchste Zeit für ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das jetzt zum 1.3.2020 in kraft getreten ist.

Neu ist, dass hiermit nicht nur wie bisher über die Blaue Karte, eine Regelung der EU, Fachkräfte mit einem Hochschulabschluss einwandern können, sondern jetzt auch Fachkräfte mit einer qualifizierten Berufsausbildung. Sind letztere jünger als 45 Jahre, müssen sie auch keine bestimmte Mindestvergütung erhalten.

Deutschland ist sich mit dieser Gesetzesnovelle aber im Kern seiner Einwanderungspolitik für Arbeitskräfte dem Grundsatz der sog. Bedarfszuwanderung treu geblieben: Voraussetzung jeder Einwanderung ist demnach unverändert, dass ein konkretes Arbeitsplatzangebot für den jeweils einzelnen Einwanderungswilligen vorliegen muss.

Im Gegensatz zu Deutschland setzen die klassischen Einwanderungsländer wie die USA, Kanada und Australien aber weiterhin auf das sog. Prinzip der Potenzialzuwanderung: Hier braucht der Einwanderer kein konkretes Arbeitsplatzangebot, sondern die Einwanderung vollzieht sich nach jeweils jährlich aktualisierten Plänen, wie viel Einwanderung nötig ist (in Kanada für 2020 insgesamt 341.000, wobei 195.000 Fachkräfte sind). Dazu zählen Programme für Hochqualifizierte, aber auch Programme zur Deckung eines bestimmten Arbeitskräftebedarfs, so z.B. für Pflegekräfte.

Die Auswahl der interessierten Einwanderer geschieht dann nach einem Punktesystem, so für Sprachfähigkeiten, Ausbildung und Qualifikation, Alter und Berufserfahrung.

Allerdings hat gerade Kanada in den letzten Jahren einen Trend hin zum Bedarfsprinzip vollzogen. Hintergrund sind empirische Befunde, wonach die Fachkräfte-Einwanderer selbst 5 Jahre nach Einwanderung nur 60% des Einkommens der in Kanada Geborenen auswiesen.

Allerdings hat auch Deutschland mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz in geringen Teilen Elemente der Potenzialzuwanderung eingeführt:

So ist sogar neuerdings eine Einreise zur reinen Arbeitsplatzsuche bei Arbeitskräften mit akademischer Ausbildung (so wie bisher nur bei in Deutschland erworbenem universitärem Abschluss) und eben einer Fachkraft mit Berufsausbildung erteilt werden. Neben einem gesicherten Einkommen bereits bei Einreise werden allerdings hier schon gute Deutschkenntnisse (auf dem Niveau B2) als Voraussetzung angesehen.

Neu ist auch, dass Programme mit Drittländern entwickelt werden können, bestimmte dringend benötigte Arbeitnehmer einreisen zu lassen (Pflegekräfte vor allem!), auch wenn sie bisher noch keine Qualifikation haben, sondern erst noch erwerben sollen. Das ist neben der für Westbalkanstaatsangehörigen sehr eingeschränkt zustehenden Regelung allerdings die einzige Möglichkeit, für Nicht-Fachkräfte eine Einwanderung zu ermöglichen.

Angesichts der vorgenommenen Gleichstellung von Akademikern und Fachkräften mit qualifizierter Berufsausbildung kann jetzt folglich auch – genauso wie bisher für ausländische Studierende – für eine anstehende Berufsausbildung ein Visum erteilt werden. Dazu muss grundsätzlich das Arbeitsamt zustimmen pro jeweils geschlossenem Ausbildungsvertrag, was sich also u.a. an der Arbeitsmarktklage orientiert.

Mit der erleichterten Einreisemöglichkeit für Arbeitskräfte mit qualifizierter Berufsausbildung korrespondiert, dass Einreisen auch möglich sind, wenn hierüber Nachqualifizierungen und bereits erworbene Qualifikationen anerkannt werden können. Das ist sinnvoll, weil genau hierzu Deutschland in Vergangenheit viel Potential bei qualifizierten ausländischen Fachkräften nicht ausgenutzt hat, allein, weil die Ausbildungen in Universität oder in der beruflichen Praxis im Ausland schlichtweg anders sind. In dem Zusammenhang ist bereits eine zentrale Servicestelle für anerkennungssuchende Fachkräfte beim Arbeitsamt eingerichtet worden; das ist verfahrenstechnisch gesehen eine erhebliche Verbesserung.

Und das gilt auch für eine Novum: Zur Verwaltungsvereinfachung und – beschleunigung sollen Unternehmen gegen eine etwas erhöhte Gebühr (411,- Euro) deutlich schnell als bisher die bisherige Genehmigung für die Einreise und den Aufenthalt der von ihnen gesuchten Fachkraft erhalten. Bisher läuft dieses noch durch eine Visaantragstellung der Fachkraft selbst bei der Deutschen Botschaft, die hierzu Ausländerbehörde und Arbeitsamt beteiligen muss. Das dauert, nicht zuletzt wegen der geringen Ressourcen der Botschaften im Ausland.

Jetzt kann der künftige Arbeitgeber in Vollmacht für seinen einreisewilligen Arbeitnehmer tätig werden, und zwar bei einer im jeweiligen Bundesland Zentralen Ausländerbehörde (, die im start-up-freundlichen Berlin bereits existiert; in Niedersachsen ist dazu konkret noch nichts in Sicht…). Sie übernimmt dann das gesamte Procedere mit dafür vorgesehenen stark abgekürzten Fristen federführend. Kleinere Unternehmen können sich dabei auch der Hilfe ihrer Kammer bedienen. Damit wird den Klagen von Unternehmen, wonach die Bearbeitungsdauer der behördlichen Verfahren viel zu lang ist, nachgekommen.

Der nunmehr beginnende Praxistest wird zeigen, welche der gesetzlichen Neuregelungen sich bewähren wird. Für den Erfolg der Fachkräftegewinnung im Ausland wird es sicherlich aber auch in Zukunft darauf ankommen, dass die Bundesrepublik verstärkt Werbung für den Wirtschaftsstandort Deutschland an ausländischen Hochschulen und auf dortigen Messen betreibt, das Erlernen der deutschen Sprache im Ausland fördert und Bildungs- und Berufspartnerschaften mit Drittstaaten abschließt. Zu all dem ist bisher viel zu wenig gemacht worden in der Vergangenheit; in dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist dazu bisher auch wenig konkret aufgeführt.

Ausländerrecht ist seit jeher ein stark von politischen Strömungen und Stimmungen durchzogenes Rechtsgebiet. Was die erlaubte Zuwanderung von Ausländern aus wirtschaftlichen Gründen betrifft, bei ausländischen Unternehmen/Investoren und Fachkräften auch Business Immigration genannt, trifft das genauso zu, allerdings bedingt noch zusätzlich durch die wirtschaftlichen Interessen im bundesdeutschen Markt.

In den 60er Jahren fand eine starke Zuwanderung von überwiegend unqualifizierten ausländischen „Gastarbeitern“ statt, um dem damaligen Arbeitskräftemangel durch den Wirtschaftsaufschwung entgegen zu wirken. Hierdurch entwickelte sich Deutschland faktisch damals schon zum Einwanderungsland, da die Aufenthaltsdauer der „Gastarbeiter“ ständig anstieg mit einhergehender Verfestigung des Aufenthaltsrechts, genauso wie der Familiennachzug zu diesen ausländischen Arbeitnehmern.

Mit dem sog. Anwerbestopp 1973 infolge der Ölkrise fand bis 2005 praktisch fast keine Arbeitsmigration mehr statt; 1973 lebten bereits knapp 3 Mio Ausländer in Deutschland. Das Sofortprogramm in den Jahren 2000 bis 2004 zur Anwerbung von IT-Fachkräften (sog. Green Card) zeigte seinerzeit kaum Wirkung.

Erst mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes Anfang 2005 wurde der deutsche Arbeitsmarkt zaghaft für qualifzierte Arbeitnehmer und Investoren geöffnet; der Trend hält an.

Bis heute hin findet die Arbeitsmigration nur statt, wenn der potentielle ausländische Arbeitnehmer eine konkrete Arbeitsstelle vorweisen kann. Ein Punktesystem, wie es in vielen anderen Industriestaaten praktiziert wird zur Anwerbung gerade von Fachkräften, hat sich in Deutschland bisher nicht durchsetzen können.

Positiv hat sich mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes aber ausgewirkt, dass seitdem zentral eine Behörde, nämlich die Ausländerbehörde (bzw. bei Zuzug aus dem Ausland die Deutsche Botschaft) für die Bearbeitung der Anträge zum Erhalt des Aufenthaltstitels zuständig ist; intern wird dann, wenn nötig, von der Ausländerbehörde oder Botschaft das Arbeitsamt beteiligt.

Was den Zuzug von Investoren betrifft, wurde ab 2005 anfangs neben einer zu erwartenden positiven Auswirkung auf die deutsche Wirksamkeit und einer Machbarkeitsstudie gefordert, dass 1 Mio Euro investiert und 10 neue Arbeitsplätze entstehen mussten; dieses wurde später auf 500.000 Euro Investitionssumme und 5 neue Arbeitsplätze gesenkt, mittlerweile ganz abgeschafft und einzelfallbezogen ausgestaltet. In der Praxis gibt es hier in der Bearbeitung durch die Deutschen Botschaften ganz erhebliche Unterschiede; eine restriktive Handhabung ist aber allgegenwärtig.

Seit 2009 erhalten ausländische Studenten mit deutschem Hochschulabschluss eine Aufenthaltserlaubnis, wenn sie eine Arbeitsstelle entsprechend ihrer Qualifikation nachweisen können, und zwar sogar, ohne dass Deutsche oder EU-Bürger vorrangig für diese konkrete Arbeitsstelle (sog. Vorrangprüfung, die das Arbeitsamt durch eine Art Ausschreibung vornimmt) zu berücksichtigen sind. Das ist die Abkehr von der in Deutschland bis dahin ziemlich antiquierten Auffassung, dass ausländischen Studenten ein Fachwissen in Deutschland vermittelt werden soll, damit hierüber bei ihrer Rückkehr eine Art Entwicklungshilfe getätigt wird. Durch diese Regelung nutzt Deutschland in sinnvoller Weise das Potential vieler Hochqualifzierter, die sich in Deutschland ohnehin schon wegen ihres Studiums zuvor integriert haben.

2012 wurde aufgrund einer EU-Richtlinie die sog. Blaue Karte eingefügt in das Migrationsrecht. Hochqualifierte erhalten seitdem, wenn sie bei derzeitigem Stand mindestens 50.000,- Euro (in den sog. MINT-Berufen sogar nur mindestens 39.000,- Euro) brutto jährlich verdienen, hierüber einen Aufenthaltstitel. Gerade für Ärzte und IT-Kräfte ist seitdem diese Blaue Karte attraktiv; zudem ist hierüber, anders als nach rein deutschen Regelungen, erleichtert ein Familiennachzug möglich.

Bestand hat weiterhin, dass wenig bis gar nicht qualifizierte Arbeitskräfte grundsätzlich keine Einreisemöglichkeit haben. In Deutschland bereits lebende Asylbewerber oder geduldete Ausländer können grundsätzlich nach einer Wartezeit von 3 Monaten eine Arbeitserlaubnis erhalten, wobei hier die erwähnte Vorrangprüfung stattfindet neben einer Überprüfung, ob die Arbeitsbedingungen der angestrebten Stelle nicht unter Lohndumping fallen. Diese Vorrangprüfung führt in der Praxis jedoch dazu, dass Ausländer nur die Arbeitsstellen praktisch erhalten, die völlig „unbeliebt“ sind, worauf sich also kein einziger Deutscher bewirbt… Fatal wirkt sich das z.B. bei hochqualifizierten Asylbewerbern (z.B. syrischen Ärzten oder Ingenieuren) aus, die aufgrund des Antragsstaus bei der Bearbeitung ihrer Asylanträge häufig nicht von Unternehmen, die händeringend nach solchen Kräften suchen, beschäftigt werden können.

Mitte 2016 wurde mit dem sog. Integrationsgesetz die Möglichkeit für geduldete Ausländer geschaffen, während der Dauer einer qualifizierten Ausbildung, gerade im Handwerk, die Abschiebung zu stoppen, um den ausbildenden Unternehmen Planungssicherheit zu geben. Das ist für die ausländischen Azubis und den Ausbildungsbetrieb gleichermaßen sinnvoll. In der Praxis gibt es aber auch hier Probleme, weil die sog. Ausbildungsduldung teils erst gar nicht erteilt wird von Ausländerbehörden (in Bayern wird das ausnahmslos z.B. nur für bestimmte Staatsangehörige, die ohnehin eine Bleibe in Aussicht haben wie z.B. Syrer, gemacht) oder nicht kenntlich gemacht wird, so dass eine Abschiebung während der laufenden Ausbildung doch noch latent droht. Das deutsche Arbeitsmigrationsrecht ist nach wie vor äußerst kompliziert. Gerade kleinere und mittlere Unternehmen, die ausländische Arbeitskräfte, ob qualifiziert oder nicht, einstellen wollen, verzweifeln häufig an den gleichermaßen verstreuten wie komplizierten gesetzlichen Regelungen. Problematisch ist vor allem auch, dass Ausländerbehörden die Bearbeitung von Anträgen zur Arbeitsmigration übernehmen, die traditionell Ausländerrecht als Gefahrenabwehr ansehen und somit ganz anders als kooperativ auftretende Arbeitsämter äußerst zurückhaltend sich verhalten

Ausländerrecht ist seit jeher ein stark von politischen Strömungen und Stimmungen durchzogenes Rechtsgebiet. Was die erlaubte Zuwanderung von Ausländern aus wirtschaftlichen Gründen betrifft, bei ausländischen Unternehmen/Investoren und Fachkräften auch Business Immigration genannt, trifft das genauso zu, allerdings bedingt noch zusätzlich durch die wirtschaftlichen Interessen im bundesdeutschen Markt.

In den 60er Jahren fand eine starke Zuwanderung von überwiegend unqualifizierten ausländischen „Gastarbeitern“ statt, um dem damaligen Arbeitskräftemangel durch den Wirtschaftsaufschwung entgegen zu wirken. Hierdurch entwickelte sich Deutschland faktisch damals schon zum Einwanderungsland, da die Aufenthaltsdauer der „Gastarbeiter“ ständig anstieg mit einhergehender Verfestigung des Aufenthaltsrechts, genauso wie der Familiennachzug zu diesen ausländischen Arbeitnehmern.

Mit dem sog. Anwerbestopp 1973 infolge der Ölkrise fand bis 2005 praktisch fast keine Arbeitsmigration mehr statt; 1973 lebten bereits knapp 3 Mio Ausländer in Deutschland. Das Sofortprogramm in den Jahren 2000 bis 2004 zur Anwerbung von IT-Fachkräften (sog. Green Card) zeigte seinerzeit kaum Wirkung.

Erst mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes Anfang 2005 wurde der deutsche Arbeitsmarkt zaghaft für qualifzierte Arbeitnehmer und Investoren geöffnet; der Trend hält an.

Bis heute hin findet die Arbeitsmigration nur statt, wenn der potentielle ausländische Arbeitnehmer eine konkrete Arbeitsstelle vorweisen kann. Ein Punktesystem, wie es in vielen anderen Industriestaaten praktiziert wird zur Anwerbung gerade von Fachkräften, hat sich in Deutschland bisher nicht durchsetzen können.

Positiv hat sich mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes aber ausgewirkt, dass seitdem zentral eine Behörde, nämlich die Ausländerbehörde (bzw. bei Zuzug aus dem Ausland die Deutsche Botschaft) für die Bearbeitung der Anträge zum Erhalt des Aufenthaltstitels zuständig ist; intern wird dann, wenn nötig, von der Ausländerbehörde oder Botschaft das Arbeitsamt beteiligt.

Was den Zuzug von Investoren betrifft, wurde ab 2005 anfangs neben einer zu erwartenden positiven Auswirkung auf die deutsche Wirksamkeit und einer Machbarkeitsstudie gefordert, dass 1 Mio Euro investiert und 10 neue Arbeitsplätze entstehen mussten; dieses wurde später auf 500.000 Euro Investitionssumme und 5 neue Arbeitsplätze gesenkt, mittlerweile ganz abgeschafft und einzelfallbezogen ausgestaltet. In der Praxis gibt es hier in der Bearbeitung durch die Deutschen Botschaften ganz erhebliche Unterschiede; eine restriktive Handhabung ist aber allgegenwärtig.

Seit 2009 erhalten ausländische Studenten mit deutschem Hochschulabschluss eine Aufenthaltserlaubnis, wenn sie eine Arbeitsstelle entsprechend ihrer Qualifikation nachweisen können, und zwar sogar, ohne dass Deutsche oder EU-Bürger vorrangig für diese konkrete Arbeitsstelle (sog. Vorrangprüfung, die das Arbeitsamt durch eine Art Ausschreibung vornimmt) zu berücksichtigen sind. Das ist die Abkehr von der in Deutschland bis dahin ziemlich antiquierten Auffassung, dass ausländischen Studenten ein Fachwissen in Deutschland vermittelt werden soll, damit hierüber bei ihrer Rückkehr eine Art Entwicklungshilfe getätigt wird. Durch diese Regelung nutzt Deutschland in sinnvoller Weise das Potential vieler Hochqualifzierter, die sich in Deutschland ohnehin schon wegen ihres Studiums zuvor integriert haben.

2012 wurde aufgrund einer EU-Richtlinie die sog. Blaue Karte eingefügt in das Migrationsrecht. Hochqualifierte erhalten seitdem, wenn sie bei derzeitigem Stand mindestens 50.000,- Euro (in den sog. MINT-Berufen sogar nur mindestens 39.000,- Euro) brutto jährlich verdienen, hierüber einen Aufenthaltstitel. Gerade für Ärzte und IT-Kräfte ist seitdem diese Blaue Karte attraktiv; zudem ist hierüber, anders als nach rein deutschen Regelungen, erleichtert ein Familiennachzug möglich.

Bestand hat weiterhin, dass wenig bis gar nicht qualifizierte Arbeitskräfte grundsätzlich keine Einreisemöglichkeit haben. In Deutschland bereits lebende Asylbewerber oder geduldete Ausländer können grundsätzlich nach einer Wartezeit von 3 Monaten eine Arbeitserlaubnis erhalten, wobei hier die erwähnte Vorrangprüfung stattfindet neben einer Überprüfung, ob die Arbeitsbedingungen der angestrebten Stelle nicht unter Lohndumping fallen. Diese Vorrangprüfung führt in der Praxis jedoch dazu, dass Ausländer nur die Arbeitsstellen praktisch erhalten, die völlig „unbeliebt“ sind, worauf sich also kein einziger Deutscher bewirbt… Fatal wirkt sich das z.B. bei hochqualifizierten Asylbewerbern (z.B. syrischen Ärzten oder Ingenieuren) aus, die aufgrund des Antragsstaus bei der Bearbeitung ihrer Asylanträge häufig nicht von Unternehmen, die händeringend nach solchen Kräften suchen, beschäftigt werden können.

Mitte 2016 wurde mit dem sog. Integrationsgesetz die Möglichkeit für geduldete Ausländer geschaffen, während der Dauer einer qualifizierten Ausbildung, gerade im Handwerk, die Abschiebung zu stoppen, um den ausbildenden Unternehmen Planungssicherheit zu geben. Das ist für die ausländischen Azubis und den Ausbildungsbetrieb gleichermaßen sinnvoll. In der Praxis gibt es aber auch hier Probleme, weil die sog. Ausbildungsduldung teils erst gar nicht erteilt wird von Ausländerbehörden (in Bayern wird das ausnahmslos z.B. nur für bestimmte Staatsangehörige, die ohnehin eine Bleibe in Aussicht haben wie z.B. Syrer, gemacht) oder nicht kenntlich gemacht wird, so dass eine Abschiebung während der laufenden Ausbildung doch noch latent droht.

Das deutsche Arbeitsmigrationsrecht ist nach wie vor äußerst kompliziert. Gerade kleinere und mittlere Unternehmen, die ausländische Arbeitskräfte, ob qualifiziert oder nicht, einstellen wollen, verzweifeln häufig an den gleichermaßen verstreuten wie komplizierten gesetzlichen Regelungen. Problematisch ist vor allem auch, dass Ausländerbehörden die Bearbeitung von Anträgen zur Arbeitsmigration übernehmen, die traditionell Ausländerrecht als Gefahrenabwehr ansehen und somit ganz anders als kooperativ auftretende Arbeitsämter äußerst zurückhaltend sich verhalten.

Das Jahr ist erst wenige Tage alt und und genauso wie nach den Vorfällen in der Sylvesternacht 2015/2016 in Köln führt Deutschland eine neue Asyldebatte. Nach den Prügelattacken von jungen Ausländern auf Passanten im oberpfälzischen Amberg wird nahezu parteiübergreifend eine Gesetzesverschärfung zur schnellen Ausweisung von straffälligen Ausländern gefordert. Seltsamerweise wird – auch parteiübergreifend – nicht ansatzweise dazu eine sachliche Diskussion mit der Darstellung von Tatsachen geführt. Maßgebliches Problem ist dabei, dass in der Umgangssprache, von führenden Politikern und selbst seriösen Medien die Begriffe der Ausweisung und der Abschiebung meistens synonym verwendet werden. Dabei haben sie eine ganz unterschiedliche Bedeutung: Eine Ausweisung stellt einen behördlichen Verwaltungsakt, also schriftlichen Bescheid dar, mit dem der rechtmäßige Aufenthalt eines Ausländers beendet, ein ggf. vorhandener Aufenthaltstitel zum Erlöschen gebracht wird, was damit zur Ausreisepflicht des Ausländers führt. Voraussetzung für den Ausspruch ist ein Ordnungsverstoß seitens des Ausländers, praktisch vor allem eben eine Straftat. Sie muss dabei übrigens nicht rechtskräftig abgeurteilt sein; entgegen der Behauptungen mancher Politiker kann ohne weiteres seit jeher selbst ohne überhaupt ein eingeleitetes strafrechtliches Ermittlungsverfahren oder während eines laufenden Strafverfahrens eine Ausweisung ausgesprochen werden, wenn nur der Ordnungsverstoß, also die Straftat als solche feststeht. Ausländerbehörde greifen dazu in der Praxis seit jeher auf Ermittlungen der Polizei zurück, die dabei miteinander problemlos kooperieren.

Der Ausspruch der Ausweisung hat dabei einzelfallbezogen zu erfolgen. Abzuwägen ist dabei das Bleibeinteresse der Ausländers (im Aufenthaltsgesetz werden dazu z.B. die Länge seines Aufenthalts in Deutschland, sein Familienleben mit deutschen Kindern oder Ehegatten oder der Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels erwähnt) zum sog. Ausweisungsinteresse, das abhängig von der Schwere der Straftat ist. Was schlichtweg, je nach politischer Coleur, häufig falsch dargestellt wird: Selbst bei einer einzigen Bagatellstraftat wie z.B. einem versuchten Ladendiebstahl geringsten Werts kann eine Ausweisung bereits gegen einen Ausländer, der sich erst einige Monate oder sogar Jahre bereits ohne besondere Verwurzelung in Deutschland aufhält, verfügt werden von einer Ausländerbehörde, was Gesetzeslage bereits seit zig Jahren ist.

Die Abschiebung – europarechtlich übrigens häufig auch als Rückführung bezeichnet – stellt dagegen keinen behördlicher Bescheid dar, sondern vielmehr die zwangsweise Durchsetzung der bestehenden Ausreisepflicht eines Ausländers. Sie ist also eine Vollstreckungsmaßnahme. Sie kann beruhen auf der Ausweisung, aber ebenso z.B. auch schlichtweg dem Ablauf der Gültigkeit eines Aufenthaltstitels, einer illegalen Einreise oder der Ablehnung eines Asylantrages.

Was in der Diskussion häufig falsch dargestellt wird: Der Ausspruch einer Ausweisung gegen straffällig gewordene Ausländer ist seit Jahren problemlos möglich und wird auch genauso durchaus konsequent praktiziert von Ausländerbehörden. Das Problem ist vielmehr die Abschiebung von ausreisepflichtigen Ausländern, und zwar ganz gleich, ob es sich um straffällig gewordene handelt oder nicht, oder ob eine Ausweisung ausgesprochen wurde oder nicht. Eine Abschiebung, also eben das zwangsweise Verbringen ins Heimatland, wenn keine freiwillige Ausreise innerhalb der gesetzten, maximal 30 Tage gewährten Ausreisefrist erfolgt, funktioniert in fast alle Länder weltweit nur, wenn gültige Ausweispapiere für den konkret abzuschiebenden Ausländer vorliegen. Relativ wenige Länder ausserhalb Europas (z.B. die Türkei) sind bereit, Papiere zur Rückführung ihrer Landsleute auszustellen, wenn sie nicht vorhanden sein, um dann auch wirklich ihre Landsleute zurück zu nehmen. Reisepasslose Ausländer aus nahezu allen Ländern Afrikas oder z.B. auch dem Libanon oder Vietnam sind nahezu unabschiebbar, weil diese Länder nahezu gar nicht kooperieren mit deutschen Ausländerbehörden zur Ausstellung von Passersatzpapieren. Das ist mithin kein Manko von deutschen Gesetzen, sondern dem (übrigens: völkerrechtswidrigen) Unwillen dieser Länder. Lediglich bei erheblich straffällig gewordenen Ausländern kooperieren diese Länder etwas mehr, aber meistens unberechenbar für deutsche Ausländerbehörden, gelegentlich auch auf politischen Druck höchster deutscher Stellen.

Die eventuelle weitere „Verschärfung“ des Ausweisungsrechts wird also rein gar nichts an der Frage, ob Ausländer auch abgeschoben werden können, ändern. Das ist vielmehr eine politische Frage der Verhandlung zwischen der deutschen Regierung mit den jeweiligen Ländern, die ihre Landsleute an sich zurücknehmen müssten.

Im Rahmen der Sondierungsgespräche nach der letzten Bundestagswahl zu Jamaika und GroKo war die Frage eines Familiennachzugs von Flüchtlingen ein zentraler Verhandlungspunkt.

Nach der jetzt vereinbaren GroKo sollen jährlich bis zu 1.000 Flüchtlinge im Rahmen eines Familiennachzugs zu Subsidiär Schutzberechtigten nach Deutschland nachziehen können. Der Familiennachzug zu anerkannten Flüchtlingen ist dagegen ohne Einschränkung möglich. Da Vielen  unklar ist, was der Unterschied dabei ist, auch mit den jeweiligen Folgen, soll das erläutert werden: Als Subsidiär Schutzberechtigte werden sowohl EU-weit als damit auch von der bundesdeutschen Asylbehörde, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Ausländer anerkannt, denen die Todesstrafe, Folter oder eine unmenschliche Behandlung durch Bedrohung infolge eines bewaffneten  internationalen oder innerstaatlichen Konflikts droht. Dass Syrer infolge des blutigen syrischen Bürgerkriegs durchgehend als Subsidiäre Schutzberechtigte angesehen werden, ist daher unstreitig.

Als Flüchtlinge (im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention) werden Ausländer anerkannt, den Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Ethnie droht.

Der Unterschied zum subsidiären Schutz besteht damit vor allem in der Motivation des ausländischen Staates zur individuellen Verfolgung seiner Landsleute. Bis 2015 hatte das BAMF durchgehend Syrer als Flüchtlinge anerkannt, seitdem „nur“ noch als Subsidiär Schutzberechtigte. Ob das richtig ist, ist rechtlich heftig umstritten einschließlich einer bisher völlig uneinheitlichen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte der ersten und zweiten Instanz; die dritte und letzte Instanz, das Bundesverwaltungsgericht, dürfte diese Frage dieses Jahr entscheiden. Der Streit macht sich vor allem daran fest, ob Syrer, wenn sie individuell vom Assad-Regime nicht verfolgt wurden (so durch Festnahmen, Folter etc.), allein infolge ihrer Asylantragstellung im Falle einer unterstellten Rückkehr nach Syrien verfolgt werden würden, indem sie dann vom Assad-Regime gravierenden Repressalien ausgesetzt wären. Die Einschätzung genau hierzu, die eben die Motivation des syrischen Staates ausmacht, schwankt.

Die Folge einer Anerkennung als Flüchtling ist das Zusprechen eines sehr sicheren Aufenthaltsrechts, nämlich einer Aufenthaltserlaubnis gleich für 3 Jahre, und zwar ohne weitere Voraussetzungen. Die Folge ist weiter, dass die im Ausland lebenden Familienangehörigen des anerkannten Flüchtlings problemlos ein Visum bekommen können (in der Theorie; in der Praxis ist es gerade für Syrer äußerst schwierig und langwierig, von den Deutschen Botschaften in der Anrainerstaaten Syriens das dann auch wirklich zu bekommen). Die sonstigen Voraussetzungen eines Familiennachzugs, die grundsätzlich bestehen müssen, wie ein ausreichendes Einkommen des in Deutschland lebenden Familienangehörigen und nachgewiesene, einfache Deutschkenntnisse müssen danach nicht gegeben sein.

Der Familiennachzug bezieht sich übrigens, seit jeher nach deutschem Recht, nur auf die Kernfamilie, also Ehegatten zueinander und minderjährige Kinder zu ihren Eltern und andersherum. Die gerade von rechten politischen Gruppierungen erhobene Behauptung des Nachzugs von „Großfamilien und Clans“ ist damit völliger Unsinn; das geht niemals nach eindeutiger Rechtslage. Sowohl die Voraussetzungen der Anerkennung als Flüchtling als auch der Familiennachzug zu diesen anerkannten Flüchtlingen sind nach höherrangigem Recht (konkret der völkerrechtlichen Genfer Konvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und ferner nach EU-Recht) zwingend vorgegeben; Deutschland könnte also gar nicht diese Rechtslage ändern.

Subsidiär Schutzberechtigte erhalten dagegen eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr, ebenfalls ohne weitere Voraussetzungen. Der Familiennachzug zu Subsidiär Schutzberechtigte, auch nur in Bezug auf die Kernfamilie, wurde im März 2017 für zwei Jahre ausgesetzt, was jüngst von der GroKo auf Ende Juli 2018 verlängert wurde. Danach soll dieses voraussichtlich fortgelten mit der Einschränkung, dass ein Kontingent von 1.000 Flüchtlingen pro Jahr zu den Subsidiär Schutzberechtigten nachziehen kann. Diese 1000 Flüchtlinge werden, wie stets bei sog. Kontingentflüchtlingen (so früher z.B. die vietnamesischen boat-people oder Juden aus der ehemaligen Sowjetunion), darauf keinen durchsetzbaren Anspruch haben; die Deutsche Botschaft wird nach nicht überprüfbarer Auswahl Visa dazu erteilen.

Es ist rechtlich überwiegende Auffassung, dass diese deutsche Rechtslage zum ausgesetzten Familiennachzug zu Subsidiär Schutzberechtigten mit höherrangigem Recht, also Völker- und EU-Recht grundsätzlich vereinbar ist.

In Einzelfällen kann das anders sein: Ende 2017 gab das Verwaltungsgericht Berlin, das zentral in ganz Deutschland für alle Visaklagen gegen das Auswärtige Amt in Berlin als Oberbehörde gegen alle Deutschen Botschaft weltweit zuständig ist, der Klage von syrischen Eltern statt, die zuvor vergeblich einen Visaantrag zu ihrem in Deutschland allein lebenden minderjährigen Kind, das als nur Subsidiär Schutzberechtigter anerkannt war und wegen Fehlens seiner Eltern erhebliche psychische Probleme hatte, statt. Begründung: Verstoß in diesem Einzelfall gegen Höherrangiges Völkerrecht, konkret gegen die EMRK und die Kinderrechtskonvention, die minderjährige Kinder besonders schützt.

Die mediale Berichterstattung über begangene, schwere Straftaten löst häufig Debatten über die Verstärkung von staatlichen Sicherheitsmaßnahmen aus. So verwundert es nicht, dass nach dem Terroranschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt eigentlich sämtliche Parteien für „schärfere“ Gesetze plädierten. Da der Attentäter Anis Amri Ausländer war, „noch“ dazu ausreisepflichtig, scheint es naheliegend, zum Schutz der Bevölkerung Schutzmaßnahmen gegen ausreisepflichtige Ausländer zu konstruieren. Schnell war daher die Rede von Abschiebehaft gegen Gefährder. Ein Regierungsentwurf liegt dazu bereits vor. Die Frage ist aber, ob das rechtlich überhaupt geht bzw. unter welchen Voraussetzungen. Antwort: Das geht so nicht, und zwar aus mehreren Gründen.

Zum einen dient Abschiebehaft allein der Sicherung der Abschiebung von ausreisepflichtigen Ausländern. Ist eine Abschiebung nicht oder nicht in absehbarer Zeit möglich, ist schon die Anordnung von Abschiebehaft, die stets Amtsgerichte vorzunehmen haben, unzulässig. Abschiebehaft dient nicht repressiven, also Strafverfolgungszwecken. Sie hat auch keinen Sanktionscharakter für Fehlverhalten des Ausländers, so z.B. dass er seiner Ausreisepflicht nicht nachkommt. Die im Regierungsentwurf vorgesehene zeitliche Ausweitung der Abschiebehaft auf bis zu 18 Monate, wenn der Ausländer selbst nicht behilflich ist bei seiner Abschiebung, so z.B. durch Verschleierung seiner Identität, und der Herkunftsstaat nicht behilflich ist bei seiner Abschiebung, wäre rechtlich zwar grundsätzlich zulässig, wird in der Praxis aber kaum handhabbar sein durch Ausländerbehörden, ganz abgesehen davon, dass dieser Aspekt nichts mit Gefahren-, geschweige denn Terrorabwehr zu tun hat. Ebenso hat Abschiebehaft allgemein auch nicht präventiven Charakter, dient also der Gefahrenabwehr. Hier wird Deutschland aufgrund genauer europarechtlicher Vorgaben, nämlich der sog. Rückführungsrichtlinie der EU, nichts anderes regeln können; Abschiebehaft kann dauerhaft nicht zur Terrorabwehr herhalten.

Zum zweiten ist der Begriff des „Gefährders“ rechtlich sehr problematisch, weil er sehr ungenau ist. Gerade bei einem Eingriff in das im Grundgesetz und der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte Freiheitsrecht auf mangelnde Inhaftierung muss eine Einschränkung hiervon stets genau gesetzlich gefasst sein.

Hinzu kommt ferner, ob eine Ausweitung von Abschiebehaft überhaupt praktisch nötig ist. Aus präventiven Gründen kann bereits seit langer Zeit jede Person gleich welcher Nationalität bei akuter Gefahr in Gewahrsam genommen werden, gestützt auf das jeweils Polizeigesetz des betroffenen Bundeslandes. Man spricht hier von Vorbeugehaft. Aus Verhältnismäßigkeitsgründen wird eine solche Vorbeugehaft, weil sie eben nur präventiven Charakter hat, zeitlich sehr eng begrenzt sein. Dass in einem kürzlich von der bayrischen Landesregierung vorgesehen Reformentwurf erstmals in einem Landespolizeigesetz eine Vorbeugehaft zur Terrorabwehr zeitlich unbegrenzt sein soll, wird verfassungsrechtlich damit kaum noch haltbar sein.

Aus strafprozessualen Gründen kann ferner Untersuchungshaft verhängt werden, was in der Praxis das naheliegendste und zugleich ein effektives Mittel ist: Bereits die Bildung einer kriminellen oder gar terroristischen Vereinigung verwirklicht u.a. seit langer Zeit einen Straftatbestand. Angesichts der Schwere der Strafandrohung hierfür kann, wenn ein dringender Verdacht dazu vorliegt, was in der Regel den Haftgrund der Fluchtgefahr indiziert, also Untersuchungshaft verhängt werden. Das gilt dann im übrigen auch für alle Personen, längst nicht nur für (ausreisepflichtige) Ausländer. Dass eine solche Untersuchungshaft neben ihrem repressiven Charakter dann auch gleich präventiv wirkt, ist ohne weiteres zulässig. Gerade dieses gesetzlich vorgesehene und praktisch auch handhabbare Mittel u.a. zur Terrorabwehr muss nur eben angewendet werden. Wenn das nicht gemacht wird, ist das ein Problem in der praktischen Anwendung der Strafverfolgung, aber nicht eine Gesetzeslücke.

Mitte September 2015 zeigte Angela Merkel noch ihr „freundliches Gesicht“ gegenüber einem unbegrenzten Flüchtlingszustrom mit der Anmerkung „Wir schaffen das.“

Die abbröckelnden Sympathiewerte in der skeptischer werdenden deutschen Bevölkerung und die eher noch zunehmenden Flüchtlingsströme haben sie mittlerweile zu einer völligen Kehrtwende bewegt. Selten sind in so kurzer Zeit in einem politisch sensiblen Thema wie der Ausländerpolitik so viele Gesetzesänderungen auf den Weg gebracht werden.

Geschaffen worden ist bereits eine erhebliche Verschärfung der Abschiebehaft, die Ausweitung von sicheren Herkunftsländern auf praktisch alle Balkanländer (womit Asylanträge von diesen Staatsangehörigen praktisch nahezu aussichtlos werden), die Verhängung von Wiedereinreisesperren bei offensichtich unbegründen Asylanträgen (wovon das Bundesamt seit Anfang August gerade bei Balkanflüchtlingen mit einer Sperrzeit von in der Regel 3 Jahren praktischen Gebrauch macht) sowie die (rechtlich höchst fragwürdige) Einschränkung von Sozialleistungen auf Asylbewerber unter bestimmten Voraussetzungen. In Niedersachsen werden seit September keine Abschiebungen bei Ausländern, die weniger als 18 Monate sich in Deutschland aufgehalten haben, mehr vorab angekündigt. 

An der hohen Zahl der Einwanderung hat sich nichts seitdem geändert – und wird sich voraussichtlich auch nicht, ändert sich doch an der maßgeblichen Quelle, dem syrischen Bürgerkrieg nichts. Die massive finanzielle Unterstützung der Türkei als Transitland durch die EU bei den dortigen Flüchtlingslagern wird sich allenfalls mittelfristig und geringfügig auswirken.

Da Deutschland, anders als Ungarn, schlechte Erfahrungen mit dem Bau einer Mauer gemacht hat, wundert es nicht, dass manche Politiker bei ihrem Anstreben, Flüchtlinge schon an der deutschen Grenze abzufangen, also auf die Idee kommen, sie in Haft zu nehmen. Der Begriff „Transitzone“ klingt dabei viel besser als Haft, lehnt er sich doc h an ein gesetzlich bereits bestehendes Verfahren, das sog. Flughafenverfahren, an, das im  Tansitbereich eines Flughafens stattfindet. 1996 hatte zudem das Bundesverfassungsgericht dieses Flughafenverfahren, das allerdings nur für Flüchtlinge aus sicheren Drittstaaten beschränkt ist (und daher in der Praxis meistens jährlich nur weniger als 1000 Flüchtlinge betrifft), als verfassungskonform bezeichnet.

Wie steht es also mit Festnahme und Haft für unerlaubt einreisende Flüchtlinge?

Unterschieden werden muss dabei zwischen Festnahme und Haft aus strafrechtlichen Gründen einerseits und ausländerrechtlichen Gründen andererseits.

In strafrechtlicher Hinsicht ist eine unerlaubte Einreise strafbar. Wichtige Ausnahme aber nach der Genfer Flüchtlingskonvention: Der Ausländer stellt unverzüglich nach seiner Einreise einen Asylantrag. Als „unverzüglich“ wird dabei von der Rechtsprechung von Strafgerichten teils 3 Tage, teils bis zu 4 Wochen angesehen. Ende letzten Jahres hatte das Bundesverfassungsgericht eher überraschend entschieden, dass ein Ausländer, der nach seiner Einreise unverzüglich einen Asylantrag stellt, dann doch dafür bestraft werden kann, wenn er aus einem sicheren Drittstaat (das sind die EU-Staaten, die Schweiz und Norwegen; sichere Herkunftsländer sind dagegen die sicheren Drittstaaten sowie u.a. sämtiche Balkanländer) einreist, wo er sich vorher längere Zeit aufgehalten hat. Bei den derzeitigen  Zuströmen über die „Balkanroute“ ist eine Durchreise durch Kroatien und Österreich aber nur gegeben, so dass dort kein längerer Aufenthalt war, erst recht nicht nachweisbar aus Sicht der Strafjustiz ist. Eine strafrechtliche Sanktionierung der Flüchtlinge ist demnach nicht möglich (nach Erfahrung des Autors, der schwerpunktmäßig im Straf- und Ausländerrecht tätig ist, greift hingegen die bayrische Strafjustiz gegen selbst einmalige Kleinst-Schleuser mit der regelmäßigen Verhängung von Untersuchungshaft seit jeher rigoros durch).

In ausländerrechtlicher Hinsicht  ist für die Frage, ob einreisende Ausländer festgenommen werden können, maßgeblich auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben, also das Grundgesetz abzustellen. Hiernach kann eine Freiheitsentziehung über den Tag nach der Festnahme hinaus nur duch einen Richter angeordnet werden. Eine Freiheitsbeschränkung dagegen kann grundsätzlich per Gesetz angeordnet werden. Nur wenn also eine Festnahme von einreisenden Ausländern als Freiheitsbeschränkung und nicht -entziehung (noch) definiert werden kann, wäre sie per Gesetz denkbar. 

Das Flughafenverfahren, das innerhalb von drei Tagen des Festhaltens des Ausländers am Flughafen abgeschlossen sein muss, danach der Ausländer freizulassen ist, wurde vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung von 1996 nicht als Freiheitsentziehung, sondern, und damit eben zulässig, nur als Freiheitsbeschränkung angesehen. Freilich ist das Bundesverfassungsgericht nic ht allein zuständig für die Einhaltung der Menschenrechte. Nur kurze Zeit nach der Karlsruher Flughafentscheidung hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg das zwangsweise Festhalten von Asylbewerbern am Flughafen Paris-Orliy für 20 Tage unter dauernder polizeilicher Überwachung und ohne Zugang zu rechtlichen  Beistand und sozialer Hilfe als unzulässige Freiheitsentziehung qualifiziert.

Kein Zweifel: Flüchtlinge sind keine Straftäter. Erst letztes Jahr hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die Unterbringung von Abschiebehäftlingen getrennt vom allgemeinen Strafvollzug geschehen muss. Während Niedersachsen seit langer Zeit am Flughafen Hannover-Langenhagen ein zentrales Abschiebehaftgefängnis hat, hatten süddeutsche Länder, wo das nIcht bis dahin der Fall war, erhebliche Probleme damit.

Das Bundesverfassungsgericht hat gerade zu Fällen der Abschiebehaft in den letzten Jahren den Begriff der Freiheitsentziehung wesentlich weiter gefasst zugunsten von Inhaftieren. Die Flughafenentscheidung von 1996, die damals schon sehr umstritten war, wäre heute kaum noch denkbar. Schließlich kommt hinzu, dass die Europäische Union in den letzten Jahren zwei Richtlinien zur Rückführung von Ausländern gefasst hat, die ihnen wesentlich mehr Rechte bei Festnahmen bzw. Verhinderung davon zubilligen.

In aufenthaltsrechtlicher Hinsicht wäre ein Festhalten nach einer unerlaubter Hinsicht per zu erlassenem Gesetz damit zwar grundsätzlich denkbar. Die Festhaltezeit müsste denkbar knapp aber sein. Das ist aber organisatorisch bei den hohen Flüchtlingszahlen und der Unterbesetzung des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht zu bewerkstelligen. Dass die Union ihren ursprünglichen Plan von „Transitzonen“ mit einem Festhalten direkt an der Grenze aufgehoben hat, hat also (auch) rechtliche Gründe.

Die vor zwei Wochen von der Koalition beschlossenen Registrierungszentren und Landkreise mit verschärfter Residenzpflicht sind dagegen als Freiheitsbeschränkung, ein zu erlassenes Gesetz hierzu also als verfassungskonform anzusehen.