Deutschland benötigt für seinen Arbeitsmarkt Fachkräfte aus dem Ausland. Aufgrund des starken Geburtenrückgangs bei den Deutschen reicht selbst die starke Zuwanderung in den den letzten 10 Jahren mit einem Zuwachs von über 5 Millionen Ausländern nicht aus, um den künftigen Bedarf der Wirtschaft zu decken. Die Bertelsmannstiftung hat mit einer Studie aus dem Jahr 2019 ausgerechnet, dass es einer jährlichen Zuwanderung von 260.000 Personen aus dem Ausland bedarf, um den Rückgang der Erwerbstätigen aufzufangen, wobei sich das auf 114.000 EU-Bürger und 146.000 Drittstaatsangehörige, also alle Nicht-EU-Bürger, aufteilt.

Da EU-Bürger völlig frei jede Berufstätigkeit aufnehmen können, hierzu in rechtlicher Hinsicht also auch gar keine Regelung nötig und möglich ist, war es für die Drittstaatsangehörigen also höchste Zeit für ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das jetzt zum 1.3.2020 in kraft getreten ist.

Neu ist, dass hiermit nicht nur wie bisher über die Blaue Karte, eine Regelung der EU, Fachkräfte mit einem Hochschulabschluss einwandern können, sondern jetzt auch Fachkräfte mit einer qualifizierten Berufsausbildung. Sind letztere jünger als 45 Jahre, müssen sie auch keine bestimmte Mindestvergütung erhalten.

Deutschland ist sich mit dieser Gesetzesnovelle aber im Kern seiner Einwanderungspolitik für Arbeitskräfte dem Grundsatz der sog. Bedarfszuwanderung treu geblieben: Voraussetzung jeder Einwanderung ist demnach unverändert, dass ein konkretes Arbeitsplatzangebot für den jeweils einzelnen Einwanderungswilligen vorliegen muss.

Im Gegensatz zu Deutschland setzen die klassischen Einwanderungsländer wie die USA, Kanada und Australien aber weiterhin auf das sog. Prinzip der Potenzialzuwanderung: Hier braucht der Einwanderer kein konkretes Arbeitsplatzangebot, sondern die Einwanderung vollzieht sich nach jeweils jährlich aktualisierten Plänen, wie viel Einwanderung nötig ist (in Kanada für 2020 insgesamt 341.000, wobei 195.000 Fachkräfte sind). Dazu zählen Programme für Hochqualifizierte, aber auch Programme zur Deckung eines bestimmten Arbeitskräftebedarfs, so z.B. für Pflegekräfte.

Die Auswahl der interessierten Einwanderer geschieht dann nach einem Punktesystem, so für Sprachfähigkeiten, Ausbildung und Qualifikation, Alter und Berufserfahrung.

Allerdings hat gerade Kanada in den letzten Jahren einen Trend hin zum Bedarfsprinzip vollzogen. Hintergrund sind empirische Befunde, wonach die Fachkräfte-Einwanderer selbst 5 Jahre nach Einwanderung nur 60% des Einkommens der in Kanada Geborenen auswiesen.

Allerdings hat auch Deutschland mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz in geringen Teilen Elemente der Potenzialzuwanderung eingeführt:

So ist sogar neuerdings eine Einreise zur reinen Arbeitsplatzsuche bei Arbeitskräften mit akademischer Ausbildung (so wie bisher nur bei in Deutschland erworbenem universitärem Abschluss) und eben einer Fachkraft mit Berufsausbildung erteilt werden. Neben einem gesicherten Einkommen bereits bei Einreise werden allerdings hier schon gute Deutschkenntnisse (auf dem Niveau B2) als Voraussetzung angesehen.

Neu ist auch, dass Programme mit Drittländern entwickelt werden können, bestimmte dringend benötigte Arbeitnehmer einreisen zu lassen (Pflegekräfte vor allem!), auch wenn sie bisher noch keine Qualifikation haben, sondern erst noch erwerben sollen. Das ist neben der für Westbalkanstaatsangehörigen sehr eingeschränkt zustehenden Regelung allerdings die einzige Möglichkeit, für Nicht-Fachkräfte eine Einwanderung zu ermöglichen.

Angesichts der vorgenommenen Gleichstellung von Akademikern und Fachkräften mit qualifizierter Berufsausbildung kann jetzt folglich auch – genauso wie bisher für ausländische Studierende – für eine anstehende Berufsausbildung ein Visum erteilt werden. Dazu muss grundsätzlich das Arbeitsamt zustimmen pro jeweils geschlossenem Ausbildungsvertrag, was sich also u.a. an der Arbeitsmarktklage orientiert.

Mit der erleichterten Einreisemöglichkeit für Arbeitskräfte mit qualifizierter Berufsausbildung korrespondiert, dass Einreisen auch möglich sind, wenn hierüber Nachqualifizierungen und bereits erworbene Qualifikationen anerkannt werden können. Das ist sinnvoll, weil genau hierzu Deutschland in Vergangenheit viel Potential bei qualifizierten ausländischen Fachkräften nicht ausgenutzt hat, allein, weil die Ausbildungen in Universität oder in der beruflichen Praxis im Ausland schlichtweg anders sind. In dem Zusammenhang ist bereits eine zentrale Servicestelle für anerkennungssuchende Fachkräfte beim Arbeitsamt eingerichtet worden; das ist verfahrenstechnisch gesehen eine erhebliche Verbesserung.

Und das gilt auch für eine Novum: Zur Verwaltungsvereinfachung und – beschleunigung sollen Unternehmen gegen eine etwas erhöhte Gebühr (411,- Euro) deutlich schnell als bisher die bisherige Genehmigung für die Einreise und den Aufenthalt der von ihnen gesuchten Fachkraft erhalten. Bisher läuft dieses noch durch eine Visaantragstellung der Fachkraft selbst bei der Deutschen Botschaft, die hierzu Ausländerbehörde und Arbeitsamt beteiligen muss. Das dauert, nicht zuletzt wegen der geringen Ressourcen der Botschaften im Ausland.

Jetzt kann der künftige Arbeitgeber in Vollmacht für seinen einreisewilligen Arbeitnehmer tätig werden, und zwar bei einer im jeweiligen Bundesland Zentralen Ausländerbehörde (, die im start-up-freundlichen Berlin bereits existiert; in Niedersachsen ist dazu konkret noch nichts in Sicht…). Sie übernimmt dann das gesamte Procedere mit dafür vorgesehenen stark abgekürzten Fristen federführend. Kleinere Unternehmen können sich dabei auch der Hilfe ihrer Kammer bedienen. Damit wird den Klagen von Unternehmen, wonach die Bearbeitungsdauer der behördlichen Verfahren viel zu lang ist, nachgekommen.

Der nunmehr beginnende Praxistest wird zeigen, welche der gesetzlichen Neuregelungen sich bewähren wird. Für den Erfolg der Fachkräftegewinnung im Ausland wird es sicherlich aber auch in Zukunft darauf ankommen, dass die Bundesrepublik verstärkt Werbung für den Wirtschaftsstandort Deutschland an ausländischen Hochschulen und auf dortigen Messen betreibt, das Erlernen der deutschen Sprache im Ausland fördert und Bildungs- und Berufspartnerschaften mit Drittstaaten abschließt. Zu all dem ist bisher viel zu wenig gemacht worden in der Vergangenheit; in dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist dazu bisher auch wenig konkret aufgeführt.

Ausländerrecht ist seit jeher ein stark von politischen Strömungen und Stimmungen durchzogenes Rechtsgebiet. Was die erlaubte Zuwanderung von Ausländern aus wirtschaftlichen Gründen betrifft, bei ausländischen Unternehmen/Investoren und Fachkräften auch Business Immigration genannt, trifft das genauso zu, allerdings bedingt noch zusätzlich durch die wirtschaftlichen Interessen im bundesdeutschen Markt.

In den 60er Jahren fand eine starke Zuwanderung von überwiegend unqualifizierten ausländischen „Gastarbeitern“ statt, um dem damaligen Arbeitskräftemangel durch den Wirtschaftsaufschwung entgegen zu wirken. Hierdurch entwickelte sich Deutschland faktisch damals schon zum Einwanderungsland, da die Aufenthaltsdauer der „Gastarbeiter“ ständig anstieg mit einhergehender Verfestigung des Aufenthaltsrechts, genauso wie der Familiennachzug zu diesen ausländischen Arbeitnehmern.

Mit dem sog. Anwerbestopp 1973 infolge der Ölkrise fand bis 2005 praktisch fast keine Arbeitsmigration mehr statt; 1973 lebten bereits knapp 3 Mio Ausländer in Deutschland. Das Sofortprogramm in den Jahren 2000 bis 2004 zur Anwerbung von IT-Fachkräften (sog. Green Card) zeigte seinerzeit kaum Wirkung.

Erst mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes Anfang 2005 wurde der deutsche Arbeitsmarkt zaghaft für qualifzierte Arbeitnehmer und Investoren geöffnet; der Trend hält an.

Bis heute hin findet die Arbeitsmigration nur statt, wenn der potentielle ausländische Arbeitnehmer eine konkrete Arbeitsstelle vorweisen kann. Ein Punktesystem, wie es in vielen anderen Industriestaaten praktiziert wird zur Anwerbung gerade von Fachkräften, hat sich in Deutschland bisher nicht durchsetzen können.

Positiv hat sich mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes aber ausgewirkt, dass seitdem zentral eine Behörde, nämlich die Ausländerbehörde (bzw. bei Zuzug aus dem Ausland die Deutsche Botschaft) für die Bearbeitung der Anträge zum Erhalt des Aufenthaltstitels zuständig ist; intern wird dann, wenn nötig, von der Ausländerbehörde oder Botschaft das Arbeitsamt beteiligt.

Was den Zuzug von Investoren betrifft, wurde ab 2005 anfangs neben einer zu erwartenden positiven Auswirkung auf die deutsche Wirksamkeit und einer Machbarkeitsstudie gefordert, dass 1 Mio Euro investiert und 10 neue Arbeitsplätze entstehen mussten; dieses wurde später auf 500.000 Euro Investitionssumme und 5 neue Arbeitsplätze gesenkt, mittlerweile ganz abgeschafft und einzelfallbezogen ausgestaltet. In der Praxis gibt es hier in der Bearbeitung durch die Deutschen Botschaften ganz erhebliche Unterschiede; eine restriktive Handhabung ist aber allgegenwärtig.

Seit 2009 erhalten ausländische Studenten mit deutschem Hochschulabschluss eine Aufenthaltserlaubnis, wenn sie eine Arbeitsstelle entsprechend ihrer Qualifikation nachweisen können, und zwar sogar, ohne dass Deutsche oder EU-Bürger vorrangig für diese konkrete Arbeitsstelle (sog. Vorrangprüfung, die das Arbeitsamt durch eine Art Ausschreibung vornimmt) zu berücksichtigen sind. Das ist die Abkehr von der in Deutschland bis dahin ziemlich antiquierten Auffassung, dass ausländischen Studenten ein Fachwissen in Deutschland vermittelt werden soll, damit hierüber bei ihrer Rückkehr eine Art Entwicklungshilfe getätigt wird. Durch diese Regelung nutzt Deutschland in sinnvoller Weise das Potential vieler Hochqualifzierter, die sich in Deutschland ohnehin schon wegen ihres Studiums zuvor integriert haben.

2012 wurde aufgrund einer EU-Richtlinie die sog. Blaue Karte eingefügt in das Migrationsrecht. Hochqualifierte erhalten seitdem, wenn sie bei derzeitigem Stand mindestens 50.000,- Euro (in den sog. MINT-Berufen sogar nur mindestens 39.000,- Euro) brutto jährlich verdienen, hierüber einen Aufenthaltstitel. Gerade für Ärzte und IT-Kräfte ist seitdem diese Blaue Karte attraktiv; zudem ist hierüber, anders als nach rein deutschen Regelungen, erleichtert ein Familiennachzug möglich.

Bestand hat weiterhin, dass wenig bis gar nicht qualifizierte Arbeitskräfte grundsätzlich keine Einreisemöglichkeit haben. In Deutschland bereits lebende Asylbewerber oder geduldete Ausländer können grundsätzlich nach einer Wartezeit von 3 Monaten eine Arbeitserlaubnis erhalten, wobei hier die erwähnte Vorrangprüfung stattfindet neben einer Überprüfung, ob die Arbeitsbedingungen der angestrebten Stelle nicht unter Lohndumping fallen. Diese Vorrangprüfung führt in der Praxis jedoch dazu, dass Ausländer nur die Arbeitsstellen praktisch erhalten, die völlig „unbeliebt“ sind, worauf sich also kein einziger Deutscher bewirbt… Fatal wirkt sich das z.B. bei hochqualifizierten Asylbewerbern (z.B. syrischen Ärzten oder Ingenieuren) aus, die aufgrund des Antragsstaus bei der Bearbeitung ihrer Asylanträge häufig nicht von Unternehmen, die händeringend nach solchen Kräften suchen, beschäftigt werden können.

Mitte 2016 wurde mit dem sog. Integrationsgesetz die Möglichkeit für geduldete Ausländer geschaffen, während der Dauer einer qualifizierten Ausbildung, gerade im Handwerk, die Abschiebung zu stoppen, um den ausbildenden Unternehmen Planungssicherheit zu geben. Das ist für die ausländischen Azubis und den Ausbildungsbetrieb gleichermaßen sinnvoll. In der Praxis gibt es aber auch hier Probleme, weil die sog. Ausbildungsduldung teils erst gar nicht erteilt wird von Ausländerbehörden (in Bayern wird das ausnahmslos z.B. nur für bestimmte Staatsangehörige, die ohnehin eine Bleibe in Aussicht haben wie z.B. Syrer, gemacht) oder nicht kenntlich gemacht wird, so dass eine Abschiebung während der laufenden Ausbildung doch noch latent droht. Das deutsche Arbeitsmigrationsrecht ist nach wie vor äußerst kompliziert. Gerade kleinere und mittlere Unternehmen, die ausländische Arbeitskräfte, ob qualifiziert oder nicht, einstellen wollen, verzweifeln häufig an den gleichermaßen verstreuten wie komplizierten gesetzlichen Regelungen. Problematisch ist vor allem auch, dass Ausländerbehörden die Bearbeitung von Anträgen zur Arbeitsmigration übernehmen, die traditionell Ausländerrecht als Gefahrenabwehr ansehen und somit ganz anders als kooperativ auftretende Arbeitsämter äußerst zurückhaltend sich verhalten