Stellen Sie sich vor, morgens um 10.00 bekommen Sie einen Anruf von der Grundschule, wo Ihre Tochter die 3. Klasse besucht und die Ihnen mitteilt, dass Ihre Tochter bisher noch nicht in der Schule eingetroffen ist. Sie geben sich sehr erstaunt, ist doch Ihre Tochter pünktlich wie immer morgens vor 8.00 Uhr zur Schule losgegangen. Sie sind schon sehr besorgt, überlegen, den Schulweg abzufahren. 10 Minuten später ruft die Grundschule erneut an und teilt Ihnen mit, dass Ihre Tochter jetzt gerade in der Schule eingetroffen ist.

Als Ihre Tochter dann mittags wie gewohnt von der Schule zu Hause eintrifft, fragen Sie sie sofort, wo Sie heute morgen sich herumgetrieben hat. Sie sagt Ihnen, dass sie pünktlich zur Schule gegangen ist. Sie glauben ihr nicht recht und setzen sie unter Druck. Unter Tränen beharrt sie darauf, wie immer sofort morgens pünktlich in der Schule eingetroffen zu sein.

Wieder 10 Minuten später ruft die Schule erneut bei Ihnen an und entschuldigt sich: Es liegt eine Verwechselung vor. Ein anderes Mädchen aus der Parallelklasse mit dem selben Vornamen hatte sich verspätet, während Ihre Tochter pünktlich war. Die Sache hat sich damit geklärt.

Sie haben den Angaben der Schule bei ihrem morgendlichen Anruf geglaubt. Warum? Weil die Schule eine Autorität ist, weil die Schule selten und erst recht nicht ohne besonderen Grund bei Ihnen anruft. Kurz gesagt: Die Angaben der Schule waren für Sie absolut plausibel, und das sogar, obwohl Sie den Anrufer in Person gar nicht kannten und noch einmal wussten, ob der Anrufer wirklich von der Schule ist, wie er sich ausgab. Die Angaben waren sogar so plausibel, dass Sie  Ihrer eigenen Tochter misstraut haben! Sie sind peinlich berührt, Ihrer Tochter gegenüber vor allem, aber auch, wie leicht Sie selbst den, wenn auch ungewollt anfänglichen Falschangaben der Schule geglaubt haben.

Menschen neigen dazu, Geschichten, die ihnen – und zwar als erstes – erzählt werden, zu glauben, wenn sie schlüssig sind, also mit allgemeinen Erfahrungssätzen in Einklang zu bringen sind. Daran wird dann auch festgehalten, meistens sogar dann noch, wenn die Geschichte durch berechtigte Einwände objektiv gesehen schon gar nicht mehr glaubhaft erscheint. Psychologen und Kommunikationswissenschaftler nennen das „story telling“; bekannter geworden ist das gerade in letzter Zeit mit der Rhetorik von Donald Trump. Auch das von der ARD einigen Monaten kürzlich angestoßene „framing“ (Verwendung von mit einer positiven Stimmung assoziierten Begriffen, um einen Empfänger damit „einzufangen“) kann man hierzu zählen.

Was hat das aber alles mit einem Strafprozess zu tun? Ziemlich viel!

In einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren sammelt praktisch die Polizei, bei komplexeren Sachverhalten in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft, die Fakten. Ein Beschuldigter oder sein Verteidiger haben auf das Zusammentragen dieser Fakten praktisch kaum Einfluss; ein Anwesenheitsrecht bei der Vernehmung von Be- oder auch Entlastungszeugen besteht z.B. nicht. Eine Akteneinsicht wird in der Regel erst zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens dem Verteidiger gewährt. Ergibt sich nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens darauf ein sog. hinreichender Tatverdacht, also eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass später eine Verurteilung durch das Strafgericht erfolgt, wird Anklage erhoben. Ist die von der Polizei festgestellte „story“ stimmig, ist sie also Grundlage der Anklageschrift.

Der zuständige Strafrichter liest die Anklageschrift und lässt sie zur Hauptverhandlung zu, wenn er ebenfalls eine spätere Verurteilung für wahrscheinlich hält, was in der Praxis fast immer der Fall ist.  Ebenso ist in der Praxis in der späteren mündlichen Strafverhandlung derjenige Richter, der bereits die Anklageschrift zugelassen hat. Damit steht es, bevor die Hauptverhandlung überhaupt begonnen hat, schon einmal 1 : 0 für die Staatsanwaltschaft: Psychologisch (aber nicht juristisch) gesehen ist jeder Richter voreingenommen, da er der „story“ aus der Anklageschrift mindestens in gewissem Maße zulasten eines Angeklagten glaubt.

Nehmen wir einmal das oben erwähnte Beispiel aus der Schule. Nehmen wir abweichend davon aber an, die Tochter war schon mehrfach unentschuldigt zuvor gar nicht zur Schule gekommen, weiter, dass die Verwechselung mit dem Mädchen aus der anderen Klasse der Schule auch später nicht aufgefallen ist.

Schulschwänzen ist für die Eltern von Schülern zwar nicht strafbar. Häufiges Schulschwänzen wird in der Praxis aber durchaus von mit der Erlass eines Bußgeldbescheides, also ähnlich wie bei Verkehrsdelikten (Rasen, Rotlichtverstoß etc.) geahndet. Nehmen wir also an, es ergeht gegen den Vater ein Bußgeldbescheid, der hiergegen Einspruch einlegt, weil er seiner Tochter (zu Recht) glaubt, dass sie pünktlich in der Schule war. Dann kommt es zu einer Verhandlung bei einem Amtsgericht, was sehr ähnlich wie in einer Strafverhandlung abläuft.

Die Ermittlungen vorab hatte die Polizei (oder eher die Schulverwaltung) vorgenommen, wo eben festgestellt wurde, dass die Tochter (angeblich) nicht den Tag zur Schule gekommen ist. In der Gerichtsverhandlung werden dann der Polizeibeamte und die Schulsekretärin als Zeugen vernommen, die versichern (in Unkenntnis der Verwechselung mit dem anderen Mädchen), dass die Tochter den Tag nicht erschienen ist in der Schule.

Nahezu jeder Amtsrichter glaubt dieser story, mag der „angeklagte“ Vater noch so sehr seine Unschuld und die seiner Tochter vor ihm beteuern. Sie ist angesichts der Neutralität der Zeugen, gerade auch noch als Beamten, absolut glaubhaft.

Was kann da noch ein Verteidiger machen, um eine Verurteilung zu verhindern?

Schlichtweg eine andere story erzählen. Und zwar eine, die jedenfalls in etwa auch genauso glaubhaft ist im Verhältnis zu der aus der Anklageschrift bzw. dem Bußgeldbescheid. Das erfordert aktive Tätigkeit. In diesem Beispiel wird der Verteidiger aktiv einen Beweisantrag stellen, das Schulbuch der Klasse mit der Anwesenheitsliste zu verlesen und die Lehrerin und ggf. sogar Mitschüler als Entlastungszeugen zu  vernehmen, wonach die Tochter sehr wohl den Tag in der Schule war. Nur so kann die erste story entkräftet werden.

„Story telling“ ist in Strafprozessen die Realität. Die von der Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift erzählte story mag objektiv gesehen häufig an die Realität heranreichen, also der Angeklagte auch wirklich schuldig sein. Fatal ist es, wenn es nicht so ist, weil jeder Angeklagte es dann enorm schwierig hat, gegen die story aus einer Anklageschrift anzukämpfen.

Das Jahr ist erst wenige Tage alt und und genauso wie nach den Vorfällen in der Sylvesternacht 2015/2016 in Köln führt Deutschland eine neue Asyldebatte. Nach den Prügelattacken von jungen Ausländern auf Passanten im oberpfälzischen Amberg wird nahezu parteiübergreifend eine Gesetzesverschärfung zur schnellen Ausweisung von straffälligen Ausländern gefordert. Seltsamerweise wird – auch parteiübergreifend – nicht ansatzweise dazu eine sachliche Diskussion mit der Darstellung von Tatsachen geführt. Maßgebliches Problem ist dabei, dass in der Umgangssprache, von führenden Politikern und selbst seriösen Medien die Begriffe der Ausweisung und der Abschiebung meistens synonym verwendet werden. Dabei haben sie eine ganz unterschiedliche Bedeutung: Eine Ausweisung stellt einen behördlichen Verwaltungsakt, also schriftlichen Bescheid dar, mit dem der rechtmäßige Aufenthalt eines Ausländers beendet, ein ggf. vorhandener Aufenthaltstitel zum Erlöschen gebracht wird, was damit zur Ausreisepflicht des Ausländers führt. Voraussetzung für den Ausspruch ist ein Ordnungsverstoß seitens des Ausländers, praktisch vor allem eben eine Straftat. Sie muss dabei übrigens nicht rechtskräftig abgeurteilt sein; entgegen der Behauptungen mancher Politiker kann ohne weiteres seit jeher selbst ohne überhaupt ein eingeleitetes strafrechtliches Ermittlungsverfahren oder während eines laufenden Strafverfahrens eine Ausweisung ausgesprochen werden, wenn nur der Ordnungsverstoß, also die Straftat als solche feststeht. Ausländerbehörde greifen dazu in der Praxis seit jeher auf Ermittlungen der Polizei zurück, die dabei miteinander problemlos kooperieren.

Der Ausspruch der Ausweisung hat dabei einzelfallbezogen zu erfolgen. Abzuwägen ist dabei das Bleibeinteresse der Ausländers (im Aufenthaltsgesetz werden dazu z.B. die Länge seines Aufenthalts in Deutschland, sein Familienleben mit deutschen Kindern oder Ehegatten oder der Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels erwähnt) zum sog. Ausweisungsinteresse, das abhängig von der Schwere der Straftat ist. Was schlichtweg, je nach politischer Coleur, häufig falsch dargestellt wird: Selbst bei einer einzigen Bagatellstraftat wie z.B. einem versuchten Ladendiebstahl geringsten Werts kann eine Ausweisung bereits gegen einen Ausländer, der sich erst einige Monate oder sogar Jahre bereits ohne besondere Verwurzelung in Deutschland aufhält, verfügt werden von einer Ausländerbehörde, was Gesetzeslage bereits seit zig Jahren ist.

Die Abschiebung – europarechtlich übrigens häufig auch als Rückführung bezeichnet – stellt dagegen keinen behördlicher Bescheid dar, sondern vielmehr die zwangsweise Durchsetzung der bestehenden Ausreisepflicht eines Ausländers. Sie ist also eine Vollstreckungsmaßnahme. Sie kann beruhen auf der Ausweisung, aber ebenso z.B. auch schlichtweg dem Ablauf der Gültigkeit eines Aufenthaltstitels, einer illegalen Einreise oder der Ablehnung eines Asylantrages.

Was in der Diskussion häufig falsch dargestellt wird: Der Ausspruch einer Ausweisung gegen straffällig gewordene Ausländer ist seit Jahren problemlos möglich und wird auch genauso durchaus konsequent praktiziert von Ausländerbehörden. Das Problem ist vielmehr die Abschiebung von ausreisepflichtigen Ausländern, und zwar ganz gleich, ob es sich um straffällig gewordene handelt oder nicht, oder ob eine Ausweisung ausgesprochen wurde oder nicht. Eine Abschiebung, also eben das zwangsweise Verbringen ins Heimatland, wenn keine freiwillige Ausreise innerhalb der gesetzten, maximal 30 Tage gewährten Ausreisefrist erfolgt, funktioniert in fast alle Länder weltweit nur, wenn gültige Ausweispapiere für den konkret abzuschiebenden Ausländer vorliegen. Relativ wenige Länder ausserhalb Europas (z.B. die Türkei) sind bereit, Papiere zur Rückführung ihrer Landsleute auszustellen, wenn sie nicht vorhanden sein, um dann auch wirklich ihre Landsleute zurück zu nehmen. Reisepasslose Ausländer aus nahezu allen Ländern Afrikas oder z.B. auch dem Libanon oder Vietnam sind nahezu unabschiebbar, weil diese Länder nahezu gar nicht kooperieren mit deutschen Ausländerbehörden zur Ausstellung von Passersatzpapieren. Das ist mithin kein Manko von deutschen Gesetzen, sondern dem (übrigens: völkerrechtswidrigen) Unwillen dieser Länder. Lediglich bei erheblich straffällig gewordenen Ausländern kooperieren diese Länder etwas mehr, aber meistens unberechenbar für deutsche Ausländerbehörden, gelegentlich auch auf politischen Druck höchster deutscher Stellen.

Die eventuelle weitere „Verschärfung“ des Ausweisungsrechts wird also rein gar nichts an der Frage, ob Ausländer auch abgeschoben werden können, ändern. Das ist vielmehr eine politische Frage der Verhandlung zwischen der deutschen Regierung mit den jeweiligen Ländern, die ihre Landsleute an sich zurücknehmen müssten.

Die mediale Berichterstattung über begangene, schwere Straftaten löst häufig Debatten über die Verstärkung von staatlichen Sicherheitsmaßnahmen aus. So verwundert es nicht, dass nach dem Terroranschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt eigentlich sämtliche Parteien für „schärfere“ Gesetze plädierten. Da der Attentäter Anis Amri Ausländer war, „noch“ dazu ausreisepflichtig, scheint es naheliegend, zum Schutz der Bevölkerung Schutzmaßnahmen gegen ausreisepflichtige Ausländer zu konstruieren. Schnell war daher die Rede von Abschiebehaft gegen Gefährder. Ein Regierungsentwurf liegt dazu bereits vor. Die Frage ist aber, ob das rechtlich überhaupt geht bzw. unter welchen Voraussetzungen. Antwort: Das geht so nicht, und zwar aus mehreren Gründen.

Zum einen dient Abschiebehaft allein der Sicherung der Abschiebung von ausreisepflichtigen Ausländern. Ist eine Abschiebung nicht oder nicht in absehbarer Zeit möglich, ist schon die Anordnung von Abschiebehaft, die stets Amtsgerichte vorzunehmen haben, unzulässig. Abschiebehaft dient nicht repressiven, also Strafverfolgungszwecken. Sie hat auch keinen Sanktionscharakter für Fehlverhalten des Ausländers, so z.B. dass er seiner Ausreisepflicht nicht nachkommt. Die im Regierungsentwurf vorgesehene zeitliche Ausweitung der Abschiebehaft auf bis zu 18 Monate, wenn der Ausländer selbst nicht behilflich ist bei seiner Abschiebung, so z.B. durch Verschleierung seiner Identität, und der Herkunftsstaat nicht behilflich ist bei seiner Abschiebung, wäre rechtlich zwar grundsätzlich zulässig, wird in der Praxis aber kaum handhabbar sein durch Ausländerbehörden, ganz abgesehen davon, dass dieser Aspekt nichts mit Gefahren-, geschweige denn Terrorabwehr zu tun hat. Ebenso hat Abschiebehaft allgemein auch nicht präventiven Charakter, dient also der Gefahrenabwehr. Hier wird Deutschland aufgrund genauer europarechtlicher Vorgaben, nämlich der sog. Rückführungsrichtlinie der EU, nichts anderes regeln können; Abschiebehaft kann dauerhaft nicht zur Terrorabwehr herhalten.

Zum zweiten ist der Begriff des „Gefährders“ rechtlich sehr problematisch, weil er sehr ungenau ist. Gerade bei einem Eingriff in das im Grundgesetz und der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte Freiheitsrecht auf mangelnde Inhaftierung muss eine Einschränkung hiervon stets genau gesetzlich gefasst sein.

Hinzu kommt ferner, ob eine Ausweitung von Abschiebehaft überhaupt praktisch nötig ist. Aus präventiven Gründen kann bereits seit langer Zeit jede Person gleich welcher Nationalität bei akuter Gefahr in Gewahrsam genommen werden, gestützt auf das jeweils Polizeigesetz des betroffenen Bundeslandes. Man spricht hier von Vorbeugehaft. Aus Verhältnismäßigkeitsgründen wird eine solche Vorbeugehaft, weil sie eben nur präventiven Charakter hat, zeitlich sehr eng begrenzt sein. Dass in einem kürzlich von der bayrischen Landesregierung vorgesehen Reformentwurf erstmals in einem Landespolizeigesetz eine Vorbeugehaft zur Terrorabwehr zeitlich unbegrenzt sein soll, wird verfassungsrechtlich damit kaum noch haltbar sein.

Aus strafprozessualen Gründen kann ferner Untersuchungshaft verhängt werden, was in der Praxis das naheliegendste und zugleich ein effektives Mittel ist: Bereits die Bildung einer kriminellen oder gar terroristischen Vereinigung verwirklicht u.a. seit langer Zeit einen Straftatbestand. Angesichts der Schwere der Strafandrohung hierfür kann, wenn ein dringender Verdacht dazu vorliegt, was in der Regel den Haftgrund der Fluchtgefahr indiziert, also Untersuchungshaft verhängt werden. Das gilt dann im übrigen auch für alle Personen, längst nicht nur für (ausreisepflichtige) Ausländer. Dass eine solche Untersuchungshaft neben ihrem repressiven Charakter dann auch gleich präventiv wirkt, ist ohne weiteres zulässig. Gerade dieses gesetzlich vorgesehene und praktisch auch handhabbare Mittel u.a. zur Terrorabwehr muss nur eben angewendet werden. Wenn das nicht gemacht wird, ist das ein Problem in der praktischen Anwendung der Strafverfolgung, aber nicht eine Gesetzeslücke.

Wohnungsdurchsuchungen gegen Beschuldigte finden in der Praxis meistens gegen 7.00 bis 8.30 Uhr statt. Sie werden immer durch Polizeibeamte, häufig begleitetet durch einen Verwaltungsbeamten als Zeugen, durchgeführt. Staatsanwälte oder Richter nehmen hieran fast nie teil.

Wohnungsdurchsuchungen sind ein äußerst effizientes Mittel zur Strafverfolgung. Seltsamerweise gibt es keine verlässliche Statistik hierüber; grobe Schätzung gehen aber von über 100.000 pro Jahr aus. Durchsuchungen werden von Ermittlungsrichtern (in der Regel bei Amtsgerichten) angeordnet. Die Polizei darf ohne vorherige gerichtliche Genehmigung keine Wohnung betreten, es sei denn es liegt „Gefahr im Verzug“ vor, also eine besondere Eilbedürftigkeit. In der Praxis wird der sog. Richtervorbehalt längst nicht immer von Polizeibeamten eingehalten.

In der Theorie können richterliche Durchsuchungs-, meistens praktisch verbunden mit Beschlagnahmebeschlüssen, also der Ermächtigung, Sachen in der Wohnung als Beweismittel zu beschlagnahmen, schon angeordnet werden bei einem Anfangsverdacht und damit bei einem schon leichten, wenn auch durch Tatsachen belegten Verdacht einer Straftat. Selbst anonyme Strafanzeigen können deshalb allein zu einer Wohnungsdurchsuchung führen, wenn die Anzeige nur einigermaßen konkret ist. Die Durchsuchung steht sonst nur noch unter dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.  Schon wegen dieser recht niedrigen Schwelle, eine Durchsuchung anzuordnen, der relativ leichten Umsetzung durch die Polizei und einer durchaus höheren Trefferquote erweist sich die Wohnungsdurchsuchung als wirkungsvoll.

Hinzu kommt die Praxis: Staatsanwälte bereiten die richterlichen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse nicht selten wortwörtlich, teils mit dem Briefkopf des Gerichts sogar schon versehen, als Antrag hierauf vor, die Richter häufig dann völlig unverändert nur noch unterschreiben. Richterliche Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse sind Massenware in der Arbeit von Ermittlungsrichtern, die wenig überprüft werden. Schätzungen gehen von weit über 1.000 rechtswidrigen Durchsuchungen pro Jahr aus. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat wiederholt in seinen Entscheidungen von Strafgerichten eine eigenständige und sorgfältige Überprüfung, bevor derartige Durchsuchungsbeschlüsse ergehen, angemahnt, ohne dass sich in der Praxis hieran Grundlegendes geändert hat. Grund ist vor allem die chronische Überlastung von Ermittlungsrichtern.

Gegen stattfindende Durchsuchungen, die in der Praxis fast immer überraschend aus ermittlungstaktischen Gründen kommen, hat der Beschuldigte faktisch keinerlei Möglichkeiten, sich zu wehren. Er hat sie passiv zu erdulden. Er kann hiergegen zwar Beschwerde einlegen, die bei Erfolg aber nur zu einer nachträglichen Erklärung der Rechtswidrigkeit führt. Auch das hilft nicht viel, weil selbst bei einer rechtswidrigen Durchsuchung die gefundenen Beweismittel im Strafverfahren gegen ihn verwertet werden können, es sei denn es liegen besonders gravierende Verstöße vor, so z.B. wenn die Polizei eine Durchsuchung ohne richterliche Genehmigung vornimmt, obwohl sie es eigentlich müsste, weil keine Gefahr im Verzug vorlag.

Gibt es schon keine Statistik darüber, wie viele Wohnungsdurchsuchungen es gibt, gibt es erst recht keine empirischen Erhebungen darüber, wie viele Ermittlungsverfahren nach einer Durchsuchung eingestellt werden ohne Anklageerhebung, also sich der Anfangsverdacht nicht erhärtet, sondern eventuell sogar ganz entfällt. Die Quoten dürfte hier aber auch hoch sein.

Wenngleich aus Sicht der Ermittlungsbehörden, also der Polizei und Staatsanwaltschaft, Durchsuchungen sehr wirkungsvoll sind, sind sie auf der anderen Seite für die Betroffenen äußerst unangenehm: Urplötzlich dringen mehrere Polizeibeamte in die Intimsphäre der eigenen vier Wände ein und durchwühlen sie. In der Praxis nehmen Polizeibeamte die beschuldigten Wohnungsinhaber zur Vernehmung dann häufig im Streifenwagen zur Polizeiwache mit, gerade wenn verdächtige Sachen in der Wohnung wirklich gefunden wurden; nicht selten sind das sogar „Zufallsfunde“, also Funde, die mit der vorgeworfenen Straftat nichts zu tun haben. Wegen des Schocks der Wohnungsdurchsuchung machen Wohnungsinhaber bei ihren polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen dann fast immer auf der Polizeiwache Angaben, die zudem häufig falsch sind. Die polizeiliche Mitnahme der Wohnungsinhaber zur Wache ist dabei in der Regel nicht erlaubt; sie findet in der Praxis aber gleichwohl statt.

Mitte September 2015 zeigte Angela Merkel noch ihr „freundliches Gesicht“ gegenüber einem unbegrenzten Flüchtlingszustrom mit der Anmerkung „Wir schaffen das.“

Die abbröckelnden Sympathiewerte in der skeptischer werdenden deutschen Bevölkerung und die eher noch zunehmenden Flüchtlingsströme haben sie mittlerweile zu einer völligen Kehrtwende bewegt. Selten sind in so kurzer Zeit in einem politisch sensiblen Thema wie der Ausländerpolitik so viele Gesetzesänderungen auf den Weg gebracht werden.

Geschaffen worden ist bereits eine erhebliche Verschärfung der Abschiebehaft, die Ausweitung von sicheren Herkunftsländern auf praktisch alle Balkanländer (womit Asylanträge von diesen Staatsangehörigen praktisch nahezu aussichtlos werden), die Verhängung von Wiedereinreisesperren bei offensichtich unbegründen Asylanträgen (wovon das Bundesamt seit Anfang August gerade bei Balkanflüchtlingen mit einer Sperrzeit von in der Regel 3 Jahren praktischen Gebrauch macht) sowie die (rechtlich höchst fragwürdige) Einschränkung von Sozialleistungen auf Asylbewerber unter bestimmten Voraussetzungen. In Niedersachsen werden seit September keine Abschiebungen bei Ausländern, die weniger als 18 Monate sich in Deutschland aufgehalten haben, mehr vorab angekündigt. 

An der hohen Zahl der Einwanderung hat sich nichts seitdem geändert – und wird sich voraussichtlich auch nicht, ändert sich doch an der maßgeblichen Quelle, dem syrischen Bürgerkrieg nichts. Die massive finanzielle Unterstützung der Türkei als Transitland durch die EU bei den dortigen Flüchtlingslagern wird sich allenfalls mittelfristig und geringfügig auswirken.

Da Deutschland, anders als Ungarn, schlechte Erfahrungen mit dem Bau einer Mauer gemacht hat, wundert es nicht, dass manche Politiker bei ihrem Anstreben, Flüchtlinge schon an der deutschen Grenze abzufangen, also auf die Idee kommen, sie in Haft zu nehmen. Der Begriff „Transitzone“ klingt dabei viel besser als Haft, lehnt er sich doc h an ein gesetzlich bereits bestehendes Verfahren, das sog. Flughafenverfahren, an, das im  Tansitbereich eines Flughafens stattfindet. 1996 hatte zudem das Bundesverfassungsgericht dieses Flughafenverfahren, das allerdings nur für Flüchtlinge aus sicheren Drittstaaten beschränkt ist (und daher in der Praxis meistens jährlich nur weniger als 1000 Flüchtlinge betrifft), als verfassungskonform bezeichnet.

Wie steht es also mit Festnahme und Haft für unerlaubt einreisende Flüchtlinge?

Unterschieden werden muss dabei zwischen Festnahme und Haft aus strafrechtlichen Gründen einerseits und ausländerrechtlichen Gründen andererseits.

In strafrechtlicher Hinsicht ist eine unerlaubte Einreise strafbar. Wichtige Ausnahme aber nach der Genfer Flüchtlingskonvention: Der Ausländer stellt unverzüglich nach seiner Einreise einen Asylantrag. Als „unverzüglich“ wird dabei von der Rechtsprechung von Strafgerichten teils 3 Tage, teils bis zu 4 Wochen angesehen. Ende letzten Jahres hatte das Bundesverfassungsgericht eher überraschend entschieden, dass ein Ausländer, der nach seiner Einreise unverzüglich einen Asylantrag stellt, dann doch dafür bestraft werden kann, wenn er aus einem sicheren Drittstaat (das sind die EU-Staaten, die Schweiz und Norwegen; sichere Herkunftsländer sind dagegen die sicheren Drittstaaten sowie u.a. sämtiche Balkanländer) einreist, wo er sich vorher längere Zeit aufgehalten hat. Bei den derzeitigen  Zuströmen über die „Balkanroute“ ist eine Durchreise durch Kroatien und Österreich aber nur gegeben, so dass dort kein längerer Aufenthalt war, erst recht nicht nachweisbar aus Sicht der Strafjustiz ist. Eine strafrechtliche Sanktionierung der Flüchtlinge ist demnach nicht möglich (nach Erfahrung des Autors, der schwerpunktmäßig im Straf- und Ausländerrecht tätig ist, greift hingegen die bayrische Strafjustiz gegen selbst einmalige Kleinst-Schleuser mit der regelmäßigen Verhängung von Untersuchungshaft seit jeher rigoros durch).

In ausländerrechtlicher Hinsicht  ist für die Frage, ob einreisende Ausländer festgenommen werden können, maßgeblich auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben, also das Grundgesetz abzustellen. Hiernach kann eine Freiheitsentziehung über den Tag nach der Festnahme hinaus nur duch einen Richter angeordnet werden. Eine Freiheitsbeschränkung dagegen kann grundsätzlich per Gesetz angeordnet werden. Nur wenn also eine Festnahme von einreisenden Ausländern als Freiheitsbeschränkung und nicht -entziehung (noch) definiert werden kann, wäre sie per Gesetz denkbar. 

Das Flughafenverfahren, das innerhalb von drei Tagen des Festhaltens des Ausländers am Flughafen abgeschlossen sein muss, danach der Ausländer freizulassen ist, wurde vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung von 1996 nicht als Freiheitsentziehung, sondern, und damit eben zulässig, nur als Freiheitsbeschränkung angesehen. Freilich ist das Bundesverfassungsgericht nic ht allein zuständig für die Einhaltung der Menschenrechte. Nur kurze Zeit nach der Karlsruher Flughafentscheidung hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg das zwangsweise Festhalten von Asylbewerbern am Flughafen Paris-Orliy für 20 Tage unter dauernder polizeilicher Überwachung und ohne Zugang zu rechtlichen  Beistand und sozialer Hilfe als unzulässige Freiheitsentziehung qualifiziert.

Kein Zweifel: Flüchtlinge sind keine Straftäter. Erst letztes Jahr hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die Unterbringung von Abschiebehäftlingen getrennt vom allgemeinen Strafvollzug geschehen muss. Während Niedersachsen seit langer Zeit am Flughafen Hannover-Langenhagen ein zentrales Abschiebehaftgefängnis hat, hatten süddeutsche Länder, wo das nIcht bis dahin der Fall war, erhebliche Probleme damit.

Das Bundesverfassungsgericht hat gerade zu Fällen der Abschiebehaft in den letzten Jahren den Begriff der Freiheitsentziehung wesentlich weiter gefasst zugunsten von Inhaftieren. Die Flughafenentscheidung von 1996, die damals schon sehr umstritten war, wäre heute kaum noch denkbar. Schließlich kommt hinzu, dass die Europäische Union in den letzten Jahren zwei Richtlinien zur Rückführung von Ausländern gefasst hat, die ihnen wesentlich mehr Rechte bei Festnahmen bzw. Verhinderung davon zubilligen.

In aufenthaltsrechtlicher Hinsicht wäre ein Festhalten nach einer unerlaubter Hinsicht per zu erlassenem Gesetz damit zwar grundsätzlich denkbar. Die Festhaltezeit müsste denkbar knapp aber sein. Das ist aber organisatorisch bei den hohen Flüchtlingszahlen und der Unterbesetzung des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht zu bewerkstelligen. Dass die Union ihren ursprünglichen Plan von „Transitzonen“ mit einem Festhalten direkt an der Grenze aufgehoben hat, hat also (auch) rechtliche Gründe.

Die vor zwei Wochen von der Koalition beschlossenen Registrierungszentren und Landkreise mit verschärfter Residenzpflicht sind dagegen als Freiheitsbeschränkung, ein zu erlassenes Gesetz hierzu also als verfassungskonform anzusehen.

Gute Strafverteidigung zeichnet sich durch eine frühe und klare Zielsetzung sowie deren aktive Umsetzung aus. Schlechte Strafverteidigung bedeutet Planlosigkeit und passives Begleiten, erst recht in einer mündlichen Strafverhandlung.

Beginn jeder Strafverteidigung ist das möglichst frühe und vollständige Sammeln aller nötigen Informationen. Eine Einsichtnahme in die Ermittlungsakte und intensive Gespräche mit dem beschuldigten Mandanten sind das Minimum; gelegentlich gehören eigene Ermittlungen des Verteidigers dazu wie z.B. Befragungen von potentiellen Zeugen. Hiernach ist mit dem Beschuldigten so früh wie möglich das Ziel der Verteidigung festzulegen, also entweder die Freispruchverteidigung bzw. das Ziel der Verfahrenseinstellung oder die Strafmaßverteidigung, also das Ziel, eine möglichst milde Strafe zu erhalten. 

Bei der Freispruchverteidigung wird in der Regel der Beschuldigte in einer späteren Hauptverhandlung von seinem Schweigerecht Gebrauch machen. Nach außen hin sind bis Beginn dieser Strafverhandlung meistens daher keine Verteidigeraktivitäten vorzunehmen. In der Hauptverhandlung ist das dann umso nötiger. Da die allermeisten Menschen, auch Strafrichter einer Hauptverhandlung, sehr früh dazu tendieren, sich in eine bestimmte Richtung eine Meinung zu bilden und Strafverhandlungen stets mit den belastenden Beweismitteln beginnen, z.B. den Hauptbelastungszeugen, ist für eine Verteidigung eminent wichtig, auf die Meinungsbildung von Strafrichtern möglichst früh Einfluss zu nehmen. Die Abgabe von Eingangsstatements, die intensive Befragung von Belastungszeugen, die Abgabe von Erklärungen nach stattgefundenen Beweisaufnahmen, das Stellen von Beweisanträgen mit dem Ziel einer Entlastung sind hierzu u.a. geeignete Mittel. Das „Auf-sich-Zukommenlassen“ der Hauptverhandlung oder nach erfolgter Beweisaufnahme zu den belastenden Aspekten sogar gar keine  Aktivitäten zu entfalten in Form des Einbringens entlastender Momente enden fast immer in einer Verurteilung.

Anders die  Vorgehensweise der Strafzumessungsverteidigung. In aller Regel sind längst vor Beginn der Hauptverhandlung die das Strafmaß reduzierenden Momente vorzubringen. Dazu gehört nicht selten, sie faktisch erst einmal zu schaffen wie z.B.: Schadenswiedergutmachung, Schmerzensgeldzahlung, Entschuldigungen, bei Verkehrs- oder (gerade gehäuften) Alkoholdelikten z.B. Aufbaukurse in Verkehrsseminaren, Beginn von Therapien, die Erklärung der Tatmotive auf Seiten des Angeklagten, um sie in gewisser Weise nachvollziehbar zu machen, und nicht zuletzt die Konsolidierung der privaten und beruflichen Situation. All das ist möglichst vor der Hauptverhandlung dem Gericht schon mitzuteilen. Der Angeklagte sollte in der Regel, wenn er nämlich nicht völlig sprachungewandt ist, selbst Angaben in der Strafverhandlung machen, und zwar nicht nur ein Geständnis abgeben, sondern eben seine persönliche Situation, die ein günstiges Licht auf ihn wirft, darlegen. Wer als Rechtsanwalt hierzu erst in der Verhandlung anfängt und noch nicht einmal einen Angeklagten hierauf vorbereitet, selbst wenn der Angeklagte schon einschlägige Erfahrung mit der Strafjustiz hat, „verschenkt“ dazu Enormes.

Angesichts dieser verschiedenen Vorgehensweisen bei den verschiedenen Zielsetzungen liegt es auf der Hand, dass ein Wechsel hiervon während laufender Verhandlung – es sei denn die Freispruchverteidigung verläuft wider Erwarten katastrophal ohne geringste Erfolgschancen – sich verbietet. Eine Freispruchverteidigung macht sich auch unglaubwürdig, wenn z.B. die soziale Situation des Angeklagten, die ein Motiv zum Zeitpunkt der Tat sein kann, auf einmal „hiervorgeholt“ wird als eine Art Entschuldigung. Andersherum bei der Strafzumessungsverteidigung erscheint der Angeklagte nicht gerade in günstigem Licht, wenn er zunächst die angeklagte Tat leugnet und dann, wenn die Beweisaufnahme (schon von vornherein erkennbar!) zulasten des Angeklagten läuft, auf einmal ein eher nur rein prozesstaktisches Geständnis, das wenig bis gar keine Strafmaßreduzierung bringt, sich abringt.

Schwierig ist es, schon zu Beginn der Mandatsaufnahme eine Entscheidung zusammen mit dem Mandanten für die Freispruch- oder Strafzumessungsverteidigung zu treffen; eine  sichere Prognose über den Ausgang eines Strafprozesses, jedenfalls wenn er komplex ist, ist fast nie zu stellen selbst für einen erfahrenen Strafverteidiger. Dennoch macht es immer Sinn, eine solche klare Vorgehensweise in genauer Erörterung mit dem Beschuldigten frühzeitig zu wählen. Unentschlossenheit und noch mehr mangelndes Engagement bringen einem Angeklagten immer teils gravierende Nachteile.