Ende Juli diesen Jahres ist von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt ein neues „Gesetz zur Bekämpfung von Scheinvaterschaften“ in kraft getreten. Was hat es damit auf sich?

Nach deutschem Staatsangehörigkeitsrecht wird ein Kind automatisch mit Geburt deutsch, wenn auch nur ein Elternteil deutsch ist, selbst wenn das Kind im Ausland geboren wird. Bei nichtehelichen Kindern wird im rechtlichen Sinne Vater, wer unter Zustimmung der Mutter die Vaterschaft anerkennt. Das geht leicht durch einen gemeinsamen Behördengang bei einem Standes- oder Jugendamt; auch bei einem Notar ist das gegen geringe Gebühren möglich.

Erkennt also ein Deutscher die Vaterschaft für ein Kind einer Ausländerin an, die von  Abschiebung bedroht ist, wird das Kind automatisch deutsch. Als sorgeberechtigte Mutter eines deutschen Kindes muss ihr damit, das gibt schon die Verfassung nach dem Grundgesetz vor, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Selbst wenn der deutsche Vater biologisch gar nicht gesehen der wirkliche Vater ist, gilt das. So können sog. „Scheinvaterschaften“ entstehen, die ausländischen Müttern ein sicheres Aufenthaltsrecht vermitteln.

Anders als bei Scheinehen, wo der äußere Schein einer angeblichen Ehebeziehung mit viel Aufwand, strafrechtlichem Risiko und meistens mit Geldzahlung aufrecht erhalten muss, muss das bei „Scheinvaterschaften“ nicht gemacht werden: Der deutsche Vater muss zu „seinem“ Kind überhaupt keine Beziehung haben, sondern lediglich die ausländische Mutter, was praktisch der absolute Regelfall ist.

Verständlicherweise wird bei solchen Konstellationen der „Scheinvaterschaften“ häufig von Rechtsmissbrauch gesprochen, weil ausländischen Mütter durch das „Einkaufen“ des deutschen „Vaters“ durch eine simple Vaterschaftsanerkennung ein Aufenthaltsrecht verschafft wird.

Wenngleich es überhaupt keine statistischen Erhebungen darüber gibt, in welchem Maße solche Vaterschaften bestehen, sah sich bereits 2008 der Bundestag genötigt, hiergegen vorzugehen: So führte er zugunsten von Ausländerbehörden ein Recht ein, wonach, wie bei den „normalen“ Familienkonstellationen, wenn es also Zweifel an der biologischen Vaterschaft gibt, sie bei einem Familiengericht die Vaterschaft anfechten konnten mit dem Ziel des Wegfalls der rechtlichen Vaterschaft und damit auch der nachträglichen Beseitigung der deutschen Staatsangehörigkeit für das Kind.

In der Praxis spielte dieses Vaterschaftsanfechtungsrecht in der Folgezeit nur eine sehr geringe Rolle bei Ausländerbehörden. Ende 2013 wurde zudem dieses Gesetz vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig und damit nichtig erklärt. Das Bundesverfassungsgericht sah einerseits einen Eingriff in das  Grundrecht des unbescholtenen Kindes auf Beibehalt seiner deutschen Staatsangehörigkeit; seit Inkrafttreten des Grundgesetzes 1949 kann als historische Erfahrung aus der NS-Zeit, als Deutschen jüdischen Glaubens die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt wurde, nämlich grundsätzlich keinem Deutschem mehr seine Staatsangehörigkeit entzogen werden. Andererseits bemängelte das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung, dass auf reinen Verdacht ohne objektive Aspekte eine Ausländerbehörde eine Vaterschaft anfechten könnte, womit zudem Familien mit Ausländerbeteiligung einem Generalverdacht ausgesetzt  werden.

Ende Juli 2017 ist infolge dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgericht, wonach Ausländerbehörden praktisch keine Handhabe mehr gegen Scheinvaterschaften hatten, das neue Gesetz zur Bekämpfung von  Scheinvaterschaften in kraft getreten. Anders als die 2008 getroffene Regelung greift dieses Novelle früher: Danach soll es bei dem Verdacht einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung erst gar nicht zur Geburtsbeurkundung von dem Kind kommen durch das Standesamt. Standesämter setzen vielmehr die Beurkundung aus und melden diese Verdachtsfälle der Ausländerbehörde, die dann die Prüfung der Rechtsmissbräuchlichkeit vornimmt. Stellt sie das fest, kommt es erst gar nicht zur Geburtsbeurkundung und das Kind wird damit erst gar nicht deutsch. Oder die Ausländerbehörde stellt dieses Überprüfungsverfahren ein, womit es dann eben zur Geburtsbeurkundung kommt. Dieses Gesetz nennt dabei – in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und im Gegensatz zur alten Regelung – konkrete, objektive Aspekte, die regelmäßig für eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung. Das sind: Eingeständnis von Mutter oder Vater (, was in der Praxis fast nie vorkommen dürfte), die vom deutschen Vater mehrfach vorgenommene Vaterschaftsanerkennung zum Zwecke des Erlangens eines Aufenthaltsrechts von Müttern, die von Abschiebung bedroht sind (, was in der Praxis bisher auch sehr selten vorkam), oder Geldzahlungen (, was in der Praxis aus Sicht von Ausländerbehörde sehr schwierig beweisbar ist). Allerdings sind diese im Gesetz genannten Beispiele nicht abschließend; auch andere Indizien können greifen. So wurde in einem beim Autor aktuellen Fall bei einer von Abschiebung bedrohten ausländischen Mutter die Geburtsbeurkundung nach anerkannter Vaterschaft durch den Deutschen allein deshalb vom Standesamt ausgesetzt, weil es zwischen Mutter und Vater einen erheblichen Altersunterschied gibt…

Mit dieser Nennung von speziellen Beispielen und dem Vorgriff, bevor es überhaupt zur deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes kommen kann, spricht viel dafür, dass dieses neue Gesetz diesmal vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben wird, zumal es grundsätzlich schon mit seiner Entscheidung von 2013 die Bekämpfung von missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen für legitim hielt. Dass damit aber weiter Familien bei Ausländerbeteiligung einem Generalverdacht ausgesetzt sind, ist die negative Seite hiervon.